Frischzellen für den Admiral

Ich finde ja, man muss seiner lokalen Kunstszene die Stange halten, auch in drögen Zeiten. Doch im Freundeskreis war ich irgendwann recht allein mit dieser Einstellung. Ausstellungseröffnungen in der WCW Gallery oder dem Harburger Kunstverein? Kein Problem, da waren sie alle gerne dabei. Aber zu den Eröffnungen in der Admiralitätsstraße mochte sich seit ein paar Jahren kaum eine Freundin aufraffen. Die letzten Rundgänge besuchte ich mehr oder weniger allein.

Allein auf der Admiralitätsstraße Foto: Google Street View

Kunstbeutel allein auf der „Admi“
Foto: Google Street View

Nun war es nicht so, dass die Eröffnungen auf der Fleetinsel generell schlecht besucht waren. Ich traf noch immer viele bekannte Gesichter und drängelte mich durch volle Treppenhäuser. Aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass mein Freundeskreis beispielhaft stand, für die Entfremdung der Admiralitätsstraße von einem gewissen Teil der Hamburger Kunstszene. Meine Freundinnen zögerten auch nicht, mir zu erklären, warum sie die Ausstellungen dort so wenig interessierten. Die Galerien der Admiralitätstraße (insgesamt sind es acht, wenn ich richtig gezählt habe), sagten sie, würden sich eher zu geschäftiger Mittelmäßigkeit anspornen, als zu ästhetischer Initiative, Diskursivität und überregionalem Anspruch. Man korrigiere sich gegenseitig eher nach unten, als nach oben. Nach dem Motto: Wenn es beim Nachbarn reicht, warum soll ich mich mehr ins Zeug legen? Das Problem an ihren Ausführungen war, dass ihnen die Ausstellungen in den letzten Jahren zu oft recht gaben.

Ob das je anders war? Ihr ganzes Potenzial hat die „Admi“ wohl noch nie ausgespielt, aber über die vergangenen Jahre hatte auch ich den Eindruck, die Ausstellungen würden dort tendenziell belangloser. Ich war schon froh, wenn es beim Rundgang eine interessante Ausstellung gab – und das bei acht oder neun gleichzeitigen Eröffnungen. Kein guter Schnitt.

Das Problem ist mit dem vergleichbar, das ich im letzten Beitrag aufgeworfen hatte: Kunst zu verkaufen darf niemals genügen! Man muss sich nur mal vor Augen führen, welches Potenzial dieser Ort eigentlich hat: Gerahmt von Off-Theater und Off-Galerie (dem Westwerk), von Kunstbuchhandel, Antiquariat und mehreren Cafés tummeln sich acht Galerien für zeitgenössische Kunst in unmittelbarer Nachbarschaft. Nicht mal die Leipziger Baumwollspinnerei kann da mithalten. Trotzdem ist die ungleich bekannter und auch spannender. Woran das liegt? Die Baumwollspinnerei hat ein eigenes Infozentrum, eigene Orientierungspläne, selbst ein eigenes Magazin, das es auch außerhalb Leipzigs zu kaufen gibt. Das zeigt den Willen, mehr zu sein als ein bloßes Stelldichein der örtlichen Szene. Hinzu kommt natürlich der ausgesprochene Lokalpatriotismus von Leuten wie Judy Lübke oder Neo Rauch, die auch an Leipzig festhalten, wenn das Geld längst in Berlin gemacht wird. So etwas setzt Energien auch für kleinere Galerien und Initiativen frei.

Artikel über die Leipziger Baumwollspinnerei Foto: Spinnerei Leipzig

Artikel über die Leipziger Baumwollspinnerei
Foto: Spinnerei Leipzig

In Hamburg haben die großen Galerien, Künstler und Künstlerinnen das Feld schon geräumt. Daniel Richter, vor drei Jahren der Letzte in einer ganzen Reihe, sogar mit einem Paukenschlag, der Hamburg zu denken gab. Doch der tote Punkt scheint mittlerweile überwunden. Auch in der Admiralitätsstraße hatte ich während der letzten beiden Rundgänge das Gefühl: Hier tut sich was! Nach meinem letzten Besuch konnte ich es meinen Freundinnen endlich heimzahlen: Sorry, ihr habt was verpasst! Vier gute bis sehr gute Ausstellungen hatte ich gezählt.

Haig Aivazian in der Galerie Sfeir-Semler: „Fugere“, 2013

Haig Aivazian in der Galerie Sfeir-Semler: „Fugere“, 2013

Ich habe auch eine Theorie, warum frischer Wind in den schmucken Fleethäusern zu spüren ist. Zum einen ist da natürlich der unglaubliche internationale Erfolg der Galerie Sfeir-Semler, die mehr Künstlerinnen und Künstler bei der letzten Documenta vertrat als alle anderen Galerien der Welt. Künstlern wie Walid Raad hielt sie über Jahre die Treue – das zahlt sich jetzt aus! Für sie, aber auch für die Admiralitätsstraße, wo die Galerie ihre Räume nun vergrößert hat. Die aktuelle Ausstellung des jungen Libanesen Haig Aivazian überzeugt mit einer eindringlichen Videoarbeit, zu strukturellem und polizeilichem Rassismus. Auch wenn sich darin Vieles auf die konkrete Situation in Frankreich bezieht, kann man als Betrachterin auch Brücken schlagen zum Umgang der Hamburger Polizei mit schwarzafrikanischen Flüchtlingen…

Die Ausstellung „M.D.C. (More Dust Covers)/Buchmesse“ von Thomas Baldischwyler Foto: Galerie Conradi

Die Ausstellung „M.D.C. (More Dust Covers)/Buchmesse“ von Thomas Baldischwyler
Foto: Galerie Conradi

Neben dem Erfolg von Sfeir-Semmler, der beweist, dass man auch von Hamburg aus die großen Kunstmessen der Welt bestücken kann, brechen drei Neuzugänge mit der angeprangerten Trägheit in der Admiralitätsstraße. Da wäre die Galerie Conradi, die vom Schopenstehl in das Hinterhaus der Admiralitätsstraße gezogen ist. Mit den ersten Ausstellungen in den neuen Räumen, ist es ihr ein selbstbewusstes Statement gelungen. Denn sie erweckten den Eindruck, als ginge es beim Umzug eben nicht darum, sich nun im Epizentrum des lokalen Betriebs gemütlich einzurichten – lieber fühlte man schon mal, was dort eigentlich noch möglich ist. Dass man auf diesem Weg sein Publikum auch fordern muss, ist hoffentlich etwas, das Schule macht.

Aktuelle Ausstellung von Steffen Zillig in der Galerie Conradi Foto: Galerie Conradi

Aktuelle Ausstellung von Steffen Zillig in der Galerie Conradi
Foto: Galerie Conradi

Gerade in dieser Hinsicht können sich die Galerien der Admiralitätsstraße auch über die neuen Nachbarn in der Großen Bäckerstraße freuen. Zwei Straßen von der Admiralitätsstraße entfernt teilen sich dort seit Kurzem die Galerie Dorothea Schlüter und die WCW Gallery neue Räumlichkeiten. Letztere könnte allein durch ihren Performanceschwerpunkt und ihre Internationalität für Aufbruchgefühle sorgen (laut Webseite eröffnet dort übrigens heute eine Ausstellung des Briten Than Clark). Auch die Galerie Dorothea Schlüter hat in ihren bisherigen Räumen in St. Pauli immer wieder bewiesen, dass ihr im Zweifel keine Kunst zu umständlich oder zu kompliziert ist. Und auch in ihrem Programm mischen sich immer wieder nationale und internationale Künstlergrößen ins Ausstellungsprogramm, ohne dass man seine Wurzeln im Hamburger Künstlermilieu verlieren würde. Im Gegenteil! Nur wenige Galerien haben ihren Riecher so nah am Hamburger Nachwuchs.

Ausstellung von Anna Gudjónsdóttir und Alexander Rischer mit dem Titel „Súld“ in den neuen Räumen der Galerie Dorothea Schlüter Foto: Galerie Dorothea Schlüter

Ausstellung von Anna Gudjónsdóttir und Alexander Rischer mit dem Titel „Súld“ in den neuen Räumen der Galerie Dorothea Schlüter
Foto: Galerie Dorothea Schlüter

Mit diesen Frische-Injektionen könnte man anfangen, die Admiralitätsstraße neu zu denken. Raus aus der Sicherheitszone dessen, was „läuft“, rein ins Ungewisse ästhetischer Streit- und Ausnahmefälle. Ich hoffe, mein Eindruck täuscht nicht, und auch die gestanden Galerien am Ort, sind derzeit motiviert, wieder mehr Initative aufzufahren. Gentrifizierung mal anders: Nicht die Immobilien aufwerten, sondern die Kunst! Nicht den Absatz ankurbeln, sondern den Anspruch (was ja Ersteres nicht ausschließt).

Ok, zugegeben, das wäre jetzt vielleicht etwas zu idealistisch gedacht. Aber warum nicht von Leipzig lernen? Wäre es so schwer, einen Raumplan mit aktuellen Ausstellungen zu machen und die Treppenhäuser auch unter der Woche beleuchtet und einladend zu halten? Ein bisschen weniger piefig? Viel mehr wäre denkbar, aber vielleicht ist mit einem Mehr an mutigen Ausstellungen auch der Anfang schon gemacht. Nachdem ich jetzt zumindest eine Freundin dazu überreden konnte, sich einige aktuelle Ausstellungen nochmal mit mir anzusehen, reichte deren Kunstangebot immerhin für einen ganzen durchdebattierten Abend. Für mich immer noch das Größte, was Kunst einem schenken kann.

Blick in den Kunstbuchladen Sautter+Lackmann in der Admiralitätsstraße Foto: Florian Sautter

Blick in den Kunstbuchladen Sautter+Lackmann in der Admiralitätsstraße
Foto: Florian Sautter

Auszeichnen möchte ich in diesem Zusammenhang aber jemanden, der gar nicht unbedingt für die beschriebene Frischzellenkur steht, sondern stellvertretend für diejenigen Kunstarbeiter, dank derer die Admiralitätsstraße auch vorher immer ein Ort blieb, von dem man sagte: Der hat Potenzial! Die Rede ist von Florian Sautter. Seine Buchhandlung (Sautter + Lackmann), die er von seinen Eltern übernommen hat, ist die unangefochtene Institution der Straße. Selbst wenn gerade keine Ausstellungen laufen oder die laufenden wenig Spannendes versprechen, in der Buchhandlung findet man immer genügend Stoff für Auge und Hirn. Man entdeckt dort nicht nur dasjenige, was die Ausstellungshallen und Kunstdiskurse der Welt bewegt, auch lokale Kleinprojekte, Bücher und Zeitschriften von Hamburger Künstlern, von denen man sonst nur schwer erführe. Deswegen ist der Beitrag von Florian Sautter und seinem Team zur Hamburger Kunstszene so ein ungemein wichtiger – und auszeichnungswürdiger. Florian Sautter erhält 2000 Euro.

Anonymus (der oder die Kunstbeutelrägerin)