Es wird Zeit für mich, die letzten Taler aus dem Beutel zu holen. Zugleich heißt es, Abschied zu nehmen, denn mit der letzten Auszeichnung endet auch meine kurze Karriere als Kunstbeutelträgerin.
Ich dachte zunächst, es wäre eigentlich ein schöner Bogen, wenn meine Berichte nach ihrem Anfang im Juli 2013 zur Jahresausstellung der HFBK auch dort ihr Ende finden würden. Passenderweise bei der Präsentation der Abschlussarbeiten, der Absolventenausstellung. Die ist eigentlich immer gut für ein paar Neuentdeckungen. Die Studierenden haben im Gegensatz zur Jahresausstellung einen ganzen Raum für sich. Dadurch sind die einzelnen Positionen in der Regel konzentrierter und lassen sich auch konzentrierter aufnehmen.

Installation von Stefan Holzmann bei der Absolventenausstellung der HFBK
Foto: Katharina Haak
Jetzt ist es nicht so, dass die Entdeckungen in diesem Jahr ausgeblieben wären: Da gab es zum Beispiel wieder Studierende, die Manifeste und selbst verfasste Theorien mit ihrer Arbeit verknüpften, wie Bachelorabsolvent Tilman Walther mit seiner „Orthokunst“. Es gab überraschende Poesien die dieser Schwere eine Leichtigkeit entgegensetzen: freischwebende Putzlappen (auf den Bildern von Absolvent Caspar Sänger) oder Bilderrahmen aus Schnüren und Stöcken, die ein großes weißes Nichts einfassten (bei den Objekten von Anna Grath). In der Eingangshalle hing eine riesige Monumentalmalerei von Lydia Balke und Laura Link, in denen sich Fleisch, Haut und Innereien zu einer eigenartigen Landschaft fügten. Es gab die eindringliche Arbeit von Sohyun Jung, in der sich die Stimme einer demenzkranken Frau mit feinen Radierungen und animierten 3D-Landschaften verschränkte. Es gab Filme wie die von Jens Franke, deren Ästhetik sich aus dem dokumentarischen Bild entwickelte (er präsentierte abwechselnd zwei Filme, deren Aufnahmen mit ruhigen neugierigen Augen die Realität, teilweise auch Absurdität des wirtschaftlichen Wachstums in China einfingen) und ebenso Arbeiten, die mit Interesse für formal ästhetische Abstraktion dagegenhielten, wie die Rauminstallation von Stefan Holzmann. Reichlich Stoff, mit dem man abschließend hätte diskutieren können, welche Arbeiten wieso und aus welchen Gründen wichtig und zeitgenössisch sind.
Warum ich heute trotzdem keine dieser jungen Künstlerinnen und Künstler, die es zweifellos verdient hätten, auszeichne, hängt mit etwas Grundlegenderem zusammen. Ich will diese letzte Gelegenheit nutzen, dazu Stellung zu nehmen und ich möchte auch meine letzte Auszeichnung damit verbinden. Worum geht es? Würde man versuchen vorne anzufangen, könnte man nachzeichnen, dass die Kunst, wie wir sie heute verstehen – als eine relativ autonome Zone ästhetischer Reflexion – ein historisches Produkt der Aufklärung ist. Eine Kunst ohne Aufklärung und politische Emanzipation könnte vielleicht virtuos sein, aber niemals so frei und unabhängig, wie wir es heute von ihr erwarten. Deshalb ist die Freiheit der Kunst eng verknüpft mit dem Maß politischer und staatsrechtlich abgesicherter Freiheit des Einzelnen.

Beliebt: Künstlerischer Wiederstand am anderen Ende der Welt
Foto: Still aus der Dokumentation über Ai Weiwei “Never sorry”
Man könnte auch anders anfangen und fragen, warum Künstler wie Ai Weiwei oder die russische Punkband Pussy Riots in westlichen Medien so viel Raum einnehmen? Es ist wohl weniger ihre Kunst, die selten Gegenstand der Berichterstattung ist, sondern das in ihnen als Personen manifestierte Symbol eines künstlerischen Widerstands. Es erinnert uns an jene Kämpfe, die in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten hierzulande ausgefochten wurden und den hohen Grad an politischer und künstlerischer Freiheit installierten, den wir hier und heute genießen. Manchmal frage ich mich aber, ob in der hiesigen Begeisterung und Sympathie für die künstlerischen Widerstandskämpfer im Ausland, auch eine Bequemlichkeit liegt. Die Bequemlichkeit nämlich, den Zeigefinger Richtung Unrecht in fernen Ländern, mit der trügerischen Gewissheit zu verbinden, in Deutschland ginge es stets mit rechten Dingen zu.
Man erkennt diese gedankliche Bequemlichkeit oft schon an ihrer Rhetorik. Zum Beispiel, wenn die Presse bei Demonstrationen und Aufständen im Ausland neutral von „Regierungsgegnern“ oder „Aufständigen“ berichtet, in der eigenen Stadt aber bis zu 10.000 Demonstranten pauschal zu „Chaoten“ gestempelt werden, weil einige unter ihnen Feuerwerkskörper oder Pflastersteine werfen. Es würde doch auch niemand auf die Idee kommen, 30.000 Zuschauer eines HSV-Spiels als „Chaoten“ zu denunzieren, weil einige unter ihnen Gegenstände aufs Spielfeld werfen, rassistische Parolen skandieren oder Sicherheitskräfte attackieren. Beim Fußball macht man sich noch die Mühe, eine Menschenmenge differenziert zu betrachten. Leider ließ die politische Debatte in unserer Stadt diese Differenziertheit oft vermissen als es in den letzten Monaten um afrikanische Flüchtlinge, Gentrifizierung, Mieterhöhungen und die Rote Flora ging. Bis dahin, dass hessische Polizeifunktionäre sich zu der Aussage hinreißen ließen, es handele sich in Hamburg gar nicht mehr um Demonstranten, sondern um „Abschaum“. Dagegen wirkt dann selbst die gleichermaßen unerträgliche Rhetorik mancher Flugblätter wieder harmlos, auf denen pauschal von „Bullen“ die Rede ist, wenn Polizisten und Polizistinnen gemeint sind.

Verdachtsunabhängige Polizeikontrollen in der “Gefahrenzone”
Foto: Spiegel TV
Ich war zuerst erschrocken vom Ausmaß der Gewalt, das die Demonstration vom 21.12. begleitete. Auf Seiten einiger Demonstranten, die die Polizisten mutmaßlich mit Steinen bewarfen. Aber mehr noch von einer offenbar auf Eskalation angelegten Polizeitaktik, die den gesamten, rund 10.000 Menschen zählenden Demonstrationszug gar nicht erst beginnen ließ. Was Freunde von mir – weder Rotfloristen noch Gewalttäter, sondern ganz normale Demonstranten – dort erlebten, überstieg an martialischem Auftreten der Polizei alles, was ich den gepanzerten Sondereinsatztruppen vielleicht vorher schon zugetraut hätte. Ihre Schilderungen und Eindrücke des polizeilichen Vorgehens rund um die Demonstration am 21.12 passten nur zu gut zu jenem Fall, den eine Anwohnerin noch am selben Tag dem Hamburger Radio FSK berichtete (und der hier nachzuhören ist). Unter Aktivisten sei es sogar, das hörte ich später, ein bekanntes Phänomen, dass sich Polizeitruppen aus anderen Bundesländern unter dem Schutz ihrer gepanzerten Anonymität einen Spaß daraus machten, Demonstranten zu „jagen“. Vor dem 21.12. hätte ich das noch für ein diffamierendes Gerücht gehalten. Mittlerweile aber muss ich beim Stichwort „Gewalttouristen“, das in der Berichterstattung um die Rote Flora immer wieder mal fiel, nicht nur an vermummte Autonome denken, sondern ebenso an die gepanzerten Uniformen der Polizei. Das alles war für sich genommen, wie gesagt, erschreckend genug.
Bevor ich den Bogen zurück zu Kunst schlage, muss ich aber noch ein wenig weiter ausholen. Eine Woche nach der Demonstration nämlich, machte ein „Anschlag“ auf die Polizeistation an der Davidwache Schlagzeilen. Eine Pressemeldung der Hamburger Polizei berichtete von diesem Angriff, der kurz darauf einer der Hauptargumente für sie wurde, ein sogenanntes „Gefahrengebiet“ einzurichten, mit dem sie es sich selbst erlaubt, Personen verdachtsunabhängig zu kontrollieren und Platzverweise auszusprechen. Es klingt allein aus rechtsstaatlicher Perspektive reichlich absurd, dass die Polizei sich ohne politische oder richterliche Anordnung selbst zu so etwas bevollmächtigen kann – und natürlich fragt man sich, warum es eine solche Regelung in Hamburg, ansonsten aber in keinem anderen Bundesland gibt. Kein Wunder, dass das an sich schon bizarr anmutende „Gefahrengebiet“ bundesweit für Aufsehen sorgte. Im Internet kursierte der Spott auf die hanseatische „Western-Polizei“ in Form von zahlreichen Fotomontagen und Filmbeiträgen.

Das Gefahrengebiet aus der Perspektive des Internets: ein schlechter Scherz
Doch so witzig waren die realen Verhältnisse gar nicht: Ich lebe nämlich selbst in einem Teil von Hamburg, der plötzlich so gefährlich sein sollte, dass überall auf den Straßen gepanzerte und bewaffnete Polizisten patrouillierten und nach eigener Gusto Menschen kontrollierten. Als ich zwei dieser hochgerüsteten Polizisten einmal fragte, warum man denn meine Straße bewache, wo hier weder eine Polizeistation zu schützen sei, noch irgendeine andere Einrichtung, wurde ich bloß angeblafft, dass ich verschwinden solle. Ich weiß nicht, ob man verstehen kann, dass mir in dem Moment nicht nach Widerrede zumute war – obwohl ich ansonsten durchaus deutlich auf Unhöflichkeit reagieren kann. Doch wenngleich es eigentlich mein Zuhause war, das hier so martialisch bewacht wurde, wusste ich ebenso gut, dass die Bewacher nun die Befugnis hatten, mich zu kontrollieren und des Platzes zu verweisen, selbst wenn ich niemandem etwas getan hatte. Ich habe in diesem Moment eine kleine Ahnung davon bekommen, was staatliche Willkür bedeutet und wie sie sich anfühlt. Zwar ist tatsächlich nichts passiert – es war vielmehr mein eigener vorauseilender Gehorsam, der mich ein zweites mal erschrecken ließ: Diese Männer müssen sich nicht rechtfertigen, wenn sie deine Sachen durchsuchen, also widerspreche ihnen lieber nicht.
Vielleicht würden sich die Beamten im Zweifel irgendwas ausdenken, um ein Vorgehen gegen mich zu begründen. Der Gedanke war vielleicht etwas paranoid, aber die Atmosphäre, die die gepanzerten Truppen in unseren Straßen über Tage verbreiten und nicht zuletzt die Tatsache, dass die Polizei tatsächlich gelogen hatte, als es darum ging, mit einem angeblichen „Anschlag“ Argumente für ihr „Gefahrengebiet“ zu sammeln (nachzulesen u.a. auf Spiegel Online), gäben zur Paranoia eigentlich genügend Anlass. Zumal ein Großteil der Lokalpresse von der Falschdarstellung der Polizei einfach nicht berichtete, als ginge es beim Journalismus in Hamburg darum, sich irgendeiner Parteilinie gegenüber loyal zu verhalten. So brauchte sich die Polizei am Ende auch nicht entblöden, ihr geniales Gefahrenkonzept als großen Erfolg zu feiern – und der Innensenator belohnte artig, nämlich mit 10 Millionen Euro extra für Ausrüstung und Beförderungen. Dreistigkeit siegt.
Ich würde mich selbst nicht als links bezeichnen, ich bin keine Aktivistin, auch wenn ich mich als politisch denkenden Menschen verstehe. In diesen Tagen aber dachte ich wirklich: In was für einer Stadt lebe ich eigentlich? Und muss ich da wirklich noch auf andere Länder zeigen, wenn ich auf polizeiliche Repression und staatsbürgerliche Willkür aufmerksam machen will? Es wunderte mich überhaupt nicht mehr, als die Spex, ein deutsches Musikmagazin, das auch für den Kunstdiskurs von Bedeutung ist, in ihrer neusten Ausgabe einen großen Artikel über die „Neue Hamburger Schule“ brachte – nicht etwa, um darin von neuen Bands aus der Hansestadt zu berichten, sondern von einer bundesweit einmaligen und beängstigenden Polizeipolitik: Marke Hamburg.
Man fragt sich vielleicht, warum ich hier eigentlich nur die Gewalt der Polizei kritisiere und nicht auch die einiger Demonstranten? Schließlich ist Gewalt grundsätzlich abscheulich, egal wer sie ausübt. Das stimmt. Selbstverständlich ist es unerträglich, wenn Polizisten und Polizistinnen mit Steinen beworfen werden! Trotzdem ist die Polizei kein politischer Akteur. Sie ist nicht der Gegner der Demonstranten, ist keine Gegenpartei. Die Polizei muss neutral sein, sie repräsentiert den Rechtsstaat und keine politische Position. Dafür wird sie ausgebildet und ausgerüstet, deshalb ist sie, im Gegensatz zu den Demonstranten, auch bewaffnet. Und deshalb finde ich es sehr viel erschreckender, wenn die Polizei in einem solchen Ausmaß die Beherrschung und den Maßstab verliert. Demonstranten stehen für sich, die Polizei aber repräsentiert den Rechtsstaat. Sie wird von uns, den Bürgern, finanziert, die sich im Gegenzug darauf verlassen, dass sie sich neutral, besonnen und professionell verhält. Wenn diese Grundordnung ins Wanken geraten, fühlt sich das sehr beklemmend an.
Nun bin ich aber nicht nur Meckerbüdel, sondern, heute zum letzten Mal, auch Kunstbeutel. Am liebsten hätte ich das verbliebene Preisgeld daher jener Person verliehen, die sich im „Gefahrengebiet“ als erste mit einer Klobürste kontrollieren ließ, welche von der Polizei dann ordnungsgemäß sichergestellt wurde. Es ist kein Geheimnis, dass die Klobürste daraufhin zum vielzitierten Symbol der Absurdität polizeilicher Machtspiele avancierte. In St. Pauli waren die Klobürsten in den Drogerien bald ausverkauft. Dafür war sie auf den Straßen omnipräsent, man entdeckte sie auf T-Shirts, Transparenten und Graffitis. Mich hat das sehr beruhigt, weil es zeigte, wie einfach und naheliegend es manchmal ist, eine staatliche Übermacht mit symbolischen Handlungen ihrer eigenen Lächerlichkeit zu überführen. Und wie bei den Pussy Riots oder Ai Weiwei ist das Ergebnis vielleicht keine große Kunst; doch in bestimmten Situationen ist es für die Kunst auch viel entscheidender, sich auf ästhetischer und symbolischer Ebene eindeutig zu artikulieren. Die Verhältnisse in Hamburg sind mit denen in China und Russland sicher nicht direkt vergleichbar. Es geht mir eher um die prinzipiellen Möglichkeiten künstlerischer Sprache, auch oder vielleicht gerade dann, wenn es politisch brenzlig wird.

Ein Anwohner bedroht die Staatsmacht mit einer “Hamburger Klobürste”
Foto: Spiegel TV
Da aber die Urheber der Klobürsten-Bewegung anonym blieben und es sich dabei auch weniger um eine Ästhetik handelte, die auf Urheberschaft, sondern vielmehr auf Kopie, Remix und Selbermachen basierte, möchte ich das verbliebene Geld einer anderen Künstlerinitiative überlassen, die in diesem Zusammenhang durch kluge Aktionen auffiel. Ich entdeckte sie überraschenderweise dann doch noch beim Absolventenrundgang der HFBK. Nicht direkt, aber ein Artikel der hochschuleigenen Zeitschrift Lerchenfeld machte mich auf eine Gruppe von Kunststudierenden aufmerksam, die sich für die in St. Pauli weiterhin in einer Kirche ausharrenden Flüchtlinge engagieren und bereits mehrere Aktionen dazu auf die Beine gestellt hatten. Schließlich waren doch diese Afrikaner, die es auf der Flucht vor Armut und Krieg nun bis zu uns nach Hamburg geschafft hatten, einer der Anlässe für die politischen Auseinandersetzungen, die leider von verschiedener Seite zur Eskalation getrieben wurden. Demgegenüber schienen mir die Aktionen der Studierenden gleichermaßen politisch besonnen wie ästhetisch eindrücklich.
Ohne Wissen der Hochschulleitung hatten sie zum Beispiel einer großen Gruppe von Flüchtlingen Zugang zum Festaktes zum hundertjährigen Bestehen der HFBK gewährt. Kurz vor der Ansprache des Bürgermeisters tauchten die Flüchtlinge vor dem Festsaal auf und begehrten Einlass. Plätze bekamen sie von den Studierenden, die nun ihre Plätze räumten. Während der Rede von Olaf Scholz erhoben sich die Flüchtlinge, um ihm in die Augen zu sehen. Allein diese Reihe von stummen Flüchtlingen während des offiziellen Festaktes muss ein beeindruckendes Bild abgegeben haben. Anwesende betätigen das. Nach der Rede überreichte ein Sprecher der Flüchtlinge dem Bürgermeister eine Skulptur. Sie wollten die, meines Wissens einmalige Gelegenheit nutzen, dem Bürgermeister persönlich zu begegnen und ihn unmittelbar auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen. Olaf Scholz ist in der Angelegenheit ja bislang eher durch Schweigen, Aussitzen und gezielte Abwesenheit aufgefallen: Augen zu und durch! Eine persönliche Begegnung, so die Hoffnung, könnte vielleicht einen Dialog auf den Weg bringen – zumindest eine Prise Zweifel im Kopf des Bürgermeisters.

Flüchtlinge beim Festakt zum hundertjährigen Bestehen der HFBK
Foto: Robert Schlossnickel
Wenig später folgte auf Einladung der Hochschulleitung und besagter Gruppe von Studierenden, ein gemeinsames Frühstück von Kunststudierenden und Flüchtlingen. Mehrere Professoren waren anwesend und hielten Vorträge, die später auch in der Hochschulzeitung abgedruckt wurden: „So sehr es heute deshalb vordringlich um das Schicksal der Flüchtenden geht, die hier in Hamburg nach neuen Lebensbedingungen verlangen, so sehr ist es doch ebenso unsere Sache, die hier verhandelt wird. Und zwar nicht zuletzt eine Sache der Kunst, deren Inbegriff Offenheit und Öffnung sind“, formulierte zum Beispiel Hans-Joachim Lenger, Professor für Philosophie.
Der Kern der Studierenden-Gruppe träfe sich weiterhin regelmäßig mit den Flüchtlingen, ließ mich die Presseabteilung der Hochschule wissen, aber vor Ort in St. Pauli. Es gäbe regelmäßige Termine an denen gemeinsam Filme angesehen würden (auch Handyfilme, mit denen die Flüchtlinge ihre Flucht dokumentieren). Es habe außerdem im Januar eine Tagung an der Hochschule stattgefunden, die das Thema vor dem Hintergrund des Postkolonialismus behandelte. Ihr soll im Sommer eine weitere folgen. Mit den letzten 3000 Euro möchte ich das Engagement der jungen Künstlerinnen und Künstler gerne unterstützen, die all das in die Wege geleitet haben. Ihre Namen sind mir nicht bekannt, die Pressestelle der HFBK wird die entsprechenden Kontakte vermitteln.
Wie schon das ein oder andere Mal in den Kommentaren angemerkt, ist auch diese Auszeichnung wieder nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Was sind 3000 Euro für eine künstlerische Initiative für Flüchtlinge gegenüber 10.000.000 Euro für eine Polizei, die einen ganzen Stadtteil für Tage einem Teil ihrer Bürgerrechte beraubt? Es soll zumindest ein kleines Zeichen sein, gegen die Bequemlichkeit und die derzeitige Stille, die sich in die für Hamburg so wichtigen Diskussionen um Mietpreise, Gentrifizierung, Flüchtlingspolitik und das Alternativzentrum Rote Flora eingeschlichen haben. Ein Zeichen gegen das Aussitzen von Problemen, die eigentlich das Potenzial in sich tragen, für diese Stadt genau die Weltoffenheit und Zukunftslust zurückzugewinnen, der sie sich so gerne rühmt. Denn das „Tor zur Welt“ ist leider im Moment mehr Marketing als gelebte Hamburger Wirklichkeit.
Anonymus (der oder die Kunstbeutelträgerin)